22.11.2025
Interpellation eingereicht - 35 Parlamentarier: innen haben mitunterzeichnet
Bericht St.Galler Tagblatt, 22.11.2025, René Rödiger
"Dialog statt Schlechtreden"
Will die Stadt ein Zentrum für Forschung, Bildung und Innovation bleiben, muss sie sich drei grossen Herausforderungen stellen.
«Die Stadt St. Gallen versteht sich als führender Standort für Forschung, Bildung und Innovation in der Ostschweiz.» Diese selbstbewusste Aussage schreibt der Stadtrat in einer Antwort auf eine Interpellation der Mitte-Stadtparlamentarier Louis Stähelin und Hans Peter Arpagaus.
Die Interpellanten wollen vom Stadtrat wissen, in welchen Branchen er aktuell seinen Schwerpunkt setzt, um wirtschaftlich zu wachsen. Im Fokus stehen für die Stadt jene Bereiche, die ein hohes Wertschöpfungs- und Arbeitsplatzpotenzial haben. Zudem sollen sie den Standort als urbanes, wissensbasiertes und innovationsorientiertes Zentrum positionieren.
Zu diesen Branchen zählt der Stadtrat jene der Informations- und Kommunikationstechnologie (ICT), der Gesundheit und der Kreativwirtschaft. Hier sieht sich der Stadtrat auf einem guten Weg. In einem kürzlich publizierten europäischen Städtevergleich liegt St. Gallen beim Anteil der ICT-Branche an der Gesamtbeschäftigung auf dem sechsten von 23 Rängen – «noch vor Basel, Luzern, Winterthur und Genf».
Gesundheitsnetzwerk wird ausgebaut
Auch bei der Gesundheit ist die Stadt aktiv. Hier gebe es mit Bildungseinrichtungen, Kliniken, Spitälern, Forschung, innovativen Unternehmen und Start-ups «eine ausgeprägte Kompetenzlandschaft». «Die Stadt ging dieses Potenzial vor rund vier Jahren an», schreibt der Stadtrat. Es wurde ein Netzwerk mit über 40 Mitgliedern aufgebaut – «ein starkes Fundament für anwendungsnahe Innovationen im Gesundheitsbereich».
Derzeit sei die Stadt zusammen mit dem Kanton daran, dieses Netzwerk auf das gesamte Kantonsgebiet auszuweiten. So sollen Innovationen angestossen und die Sichtbarkeit des Gesundheitsstandortes erhöht werden.
Kreativszene soll besser vernetzt werden
Urbanität und Weltoffenheit soll die Kreativwirtschaft bringen. Sie stärke die Standortattraktivität für Einheimische und Fachkräfte. «Unauffällig, aber mit über 5700 Vollzeitstellen, hat sich die Kreativszene der Stadt in den vergangenen Jahren positiv entwickelt», schreibt der Stadtrat. Von der Textilbranche über das Sitterwerk bis hin zu etablierten Architekturbüros und Kreativagenturen besitze die Stadt namhafte Kompetenzen in der Branche.
Hier sieht der Stadtrat noch Verbesserungspotenzial bei der Vernetzung. «Mit der ersten St. Galler Design Week 2025 wurde ein wichtiger Akzent gesetzt, der im Jahr 2026 erneut durchgeführt wird.»
Wichtig sei jedoch auch die Pflege jener Unternehmen, die bereits hier sind. Die Stadt unterstütze diese in verschiedenen Bereichen, «um ihre Entwicklungspotenziale zu halten oder auszubauen». Die Zielsetzung sei klar: gezielte Förderung dort, wo Potenzial vorhanden ist, und systematische Unterstützung dort, wo Wertschöpfung bereits stattfindet.
Unternehmen sollen Probleme melden
Der Stadtrat gibt auch einen Einblick in die künftigen Massnahmen. So will er unter anderem die strategischen Schwerpunkte der Stadtentwicklung sichtbarer machen. Dabei handelt es sich insbesondere um die Gebiete um die Stadtbahnhöfe Winkeln, Bruggen-Haggen und Lerchenfeld sowie St. Fiden.
Zudem ist im nächsten Jahr eine Unternehmensbefragung geplant. Sie soll die «Stärken, Schwächen, Chancen und Gefahren im Zusammenhang mit dem Standort erfassen», damit entsprechende Ziele und Massnahmen für die Stadt abgeleitet werden können.
Stadt leistet Mehrwert für Region
Allerdings sieht der Stadtrat auch Herausforderungen bei der Umsetzung all dieser Ziele. Einmal mehr dabei: die Zentrumsleistungen. «In St. Gallen kommen auf 100 Einwohnerinnen und Einwohner rund 111 Beschäftigte», schreibt der Stadtrat. Damit würden zahlreiche Leistungen für das Umland übernommen, die zu einem übermässigen Teil durch die Stadt selbst finanziert werden.
Der Regionsgedanke sei noch nicht genügend verankert. Es brauche deshalb politische Allianzen über die Parteigrenzen hinweg, ein gemeinsames Verständnis im Kanton sowie eine klare Kommunikation des Mehrwerts, den die Stadt auch für die Region leiste.
Auch werde die Stadt und die Ostschweiz oft einseitig wahrgenommen: als finanzpolitisch angeschlagen, wenig innovativ oder wenig unternehmerfreundlich. «Die Stadt ist gefordert, ihre Stärken weiterhin selbstbewusst zu zeigen.» Dazu brauche es Unterstützung durch Wirtschaft, Politik, Medien und regionale Partner. Der Stadtrat schreibt: «Ein konstruktiver Dialog anstatt ein gegenseitiges Schlechtreden ist für einen Standort mit Perspektive und Zukunftswille zwingend.»
«St. Gallen ist auf Kurs»
Eine weitere Herausforderung sei die gestiegene Komplexität und Koordination bei grossen Bauprojekten. Neue Gesetzgebungen, komplexere Mitwirkungsverfahren, Einsprachen und Projektabhängigkeiten würden diese deutlich anspruchsvoller machen.
Trotzdem ist der Stadtrat zuversichtlich: «St. Gallen ist auf Kurs.» Die Stadt investiere gezielt in Zukunftsthemen, setze auf Kooperation und pflege den Dialog mit Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft. «Jetzt gilt es, diese Stärken noch sichtbarer zu machen, die konstruktiven Kräfte zu bündeln und gemeinsam die Chancen zu nutzen.»
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